Stress ist auch im Schulalltag angekommen. Bereits bei den Schülern ist zu beobachten, dass sie sich in vielen Situationen wie Prüfungen oder Vorträgen enorm unter Druck setzen und so vermehrt psychosomatische Symptome zeigen. Diese Erfahrungen haben Oberstudienrätin Heike Schöpe dazu bewogen, ein P-Seminar im Leitfach Biologie für den Abiturjahrgang 2021/23 anzubieten. Hierbei soll es neben den Ursachen von Stress im Körper vor allem darum gehen, wie man Stress mit möglichst vielen praktischen Übungen begegnen kann. Die präventiven Maßnahmen gegen Stress bauen auf den drei Säulen – Bewegung, Entspannung und gesunde Ernährung – auf. Durch eigene persönliche Erfahrungen mit dem Fachbereich Gesundheitsmanagement im Gesundheitszentrum Bad Alexandersbad konnte Frau Schöpe deren Leiterin Elke Seidel als externe Referentin gewinnen. Gemeinsam stellten die beiden Frauen im Vorfeld verschiedene Methoden zu Stressbewältigung zusammen, die nun mit der Seminargruppe der Jahrgangsstufe 11 in vier Modulen beleuchtet werden, wobei das Thema „Gesunde Lebensweise“ auf jeden Fall auch über das Seminar oder Einzelveranstaltungen hinaus reichen soll.
Am 25.10.2021 starteten die 14 Schülerinnen gespannt mit dem ersten Modul: dem Waldgesundheitstraining. „Waldbaden“ oder auch „Shirin Yoku“ bedeutet so viel wie „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“ und ist in Japan entwickelt worden. Dort ist die heilende Wirkung bereits medizinisch anerkannt. Das Einatmen der Waldluft entlastet die Bronchien und die Atemwege, der Blutdruck wird gesenkt, das Licht- und Schattenspiel beruhigt die Menschen, wodurch unser Körper weniger Stresshormone ausschüttet. Wa ldbaden hat eine entspannende Wirkung auf Körper und Geist. Auf dem fast dreistündigen Weg ging es nicht um Schnelligkeit, sondern darum, den Wald aus einer ganz neuen Perspektive abseits ausgetretener Pfade zu erfahren.
Die Schülerinnen fassten ihre neuen Erfahrungen mit den Entspannungs- und Wahrnehmungsübungen anschließend in zum Teil sehr persönlichen Erlebnisberichten zusammen.
„Unsere erste kleine Aufgabe bestand darin, sich mit einem Partner darüber zu unterhalten, wann wir das letzte Mal in der Natur waren und was der Grund dafür war. Dabei wurde vielen von uns klar, wie wenig Zeit wir eigentlich draußen verbringen.“, berichtet eine 17-Jährige. Ein intensives Walderlebnis bot gleich die folgende Übung: „Wir gingen langsam und schweigend für 10 bis 15 Minuten den Weg weiter. Man konzentrierte sich gut auf sich selbst und nahm beispielsweise das Zwitschern der Vögel, das Rascheln des Laubes, den Wind, die eigenen Schritte oder die Gerüche des Waldes neu wahr.“
Mehr Vertrauen in den Partner bekamen die Jugendlichen beim gegenseitigen Führen am Stock durch den Wald. Anfangs war es schwierig, sich bei geschlossenen Augen nur auf die möglichst genaue Wegbeschreibung des Partners zu verlassen, es wurde aber mit jedem Meter leichter. Anschließend machten es die Teilnehmerinnen sich im Moos auf dem Waldboden gemütlich und nahmen sich die Zeit, selbst gewählte Objekte aus dem Wald mit all ihren Sinnen zu betrachten. Beispielsweise konnten einige an einem Tannenzapfen die besondere Struktur und den harzigen Geruch wahrnehmen. Man erkannte schnell, dass hinter einem banalen Objekt oft mehr steckt, als man denkt.
An den großen Mühlsteinen des kleinen Labyrinths war der Geschmackssinn an der Reihe. Die Aufgabe bestand darin, einen Schokoriegel in mehreren Schritten zu verspeisen. Zunächst gab Elke Seidel ein Stück bei geschlossenen Augen in die Hände der Jugendlichen, so dass sie die Schokolade in der Hand erst ertasten und anschließend von allen Seiten beschnuppern konnten. Zum Schluss dieser Übung wurde die Schokolade als „Lippenstift“ benutzt und alle ließen sie in kleinen Stücken im Mund zergehen. Hierbei ging es darum, achtsam gegenüber dem Essen zu sein und es am Ende in vollen Zügen zu genießen. Dies war anfangs etwas merkwürdig, aber am Ende interessant, auch mal einen einfachen Schokoriegel rundherum wahrzunehmen. Auf dem Rückweg sollte die Gruppe dem Wald noch ein „Geschenk“ hinterlassen, indem ein kleines Haus aus Tannenzapfen, Blättern, Stöcken, Moos und Ästen gebaut wurde.“
Das Fazit der Schülerinnen fällt sehr positiv aus: „Vor dem Kurs wusste ich überhaupt nicht, dass es so schön wird. Ich habe gedacht, dass es langweilig wird, es war aber genau das Gegenteil! Am schönsten war es, zu vergessen und nur in die Umgebung zu hören und zu sehen. Es war ein angenehmes Gefühl!“
Abschließend stellte die Gruppe fest, dass der Großteil des Waldbadens insgesamt geholfen hat, Schulstress abzubauen und richtig abzuschalten, auch wenn einzelne Aufgaben auf einige noch suspekt wirkten: “Wir konnten ein paar Inspirationen für den nächsten Waldbesuch mitnehmen.“
„Der Montagnachmittag verging wie im Fluge und ich lernte meine Schülerinnen von einer ganz neuen Seite her kennen“, berichtet Heike Schöpe. Alle kehrten ganz gelöst und angenehm erschöpft an die Schule zurück. In den kommenden Wochen widmen sie sich nun mehr den Sorgen und Nöten des Schulalltags, warten aber schon gespannt auf das folgende Modul „Eine Frage des Stils – die drei Säulen der Gesundheit“ im Januar. In der weiteren Zusammenarbeit sind die Module „Achtsamkeit“ und „Resilienz“ geplant. Am Ende wünscht sich die Seminarleiterin, dass die Schülerinnen einen vollen Rucksack an Möglichkeiten im Umgang mit Stress mit auf ihren weiteren Lebensweg nehmen.