Erst Verfassung, dann Biologie

Dieser Artikel erschien am Mittwoch, 22. Januar 2025, in der Frankenpost:

Eigentlich wird die Verfassungsviertelstunde in Gymnasien in den Jahrgangsstufen sechs, acht und elf eingeführt. Im Marktredwitzer Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) ist das anders: Dort wurden alle Jahrgangsstufen bis zur elften Klasse mit einer Verfassungsviertelstunde versehen. Warum? „Politische Bildung ist sehr wichtig“, betont der Schulleiter Stefan Niedermeier.

Im OHG ist keine Lehrkraft von der neuen Regelung ausgenommen. Welcher Lehrer wie oft dran kommt, hängt damit zusammen, wie häufig ein Fach stattfindet. Um die Organisation kümmern sich die Klassenleiter. In einem Zeitplan teilen sie ein, welche Lehrkraft welchen Artikel bespricht. Ihre Planung hinterlegen sie im Klassenbuch und digital.

Wie die Lehrer die Zeit nutzen, ist ihnen selbst überlassen. Vorschläge dazu finden sie online, zum Beispiel auf der Seite der „Politischen Bildung Bayern“. An Material mangelt es nicht: „Es gibt tausend Vorschläge zur Verfassungsviertelstunde“, sagt Niedermeier. Manche Lehrkräfte beginnen die Viertelstunde mit einer These, einer Karikatur oder einem Filmausschnitt, wie der Schulleiter erklärt. Oft folgt darauf eine Diskussion. Nach 15 Minuten kehrt die Klasse zum regulären Unterricht zurück.

Was halten die Schüler von der neuen Regelung? „Wir lernen sehr viel daraus“, sagt Izabela Yosifova aus der neunten Klasse. Vor der neuen Regelung wurde die Verfassung „nicht so oft angesprochen“. Jetzt ist das anders. „Das Interesse ist da“, sagt Yosifova. Am interessantesten fand die Fünfzehnjährige das Thema Menschenhandel, das sie in der Verfassungsviertelstunde im Fach Biologie besprochen haben. Die Zeit von 15 Minuten findet die Schülerin genau richtig. „In einer Viertelstunde kann man sehr viel machen. Wir schaffen es zeitlich recht gut.“ Auch ihre Mitschüler würden die neue Regelung begrüßen. „Es ist gut, etwas vom Gesetz mitzubekommen“, sagt die Neuntklässlerin. Niedermeier bestätigt das Interesse der Schüler: „Man sieht, wie wertvoll und wichtig eine gute demokratische Verfassung ist – und wie schützenswert.“

15 Minuten Verfassung in der Woche – Niedermeier findet das zu wenig. „Politische Bildung sollte einen noch größeren Stellenwert haben.“ Der Schulleiter würde eine zusätzliche Stunde PUG (Politik und Gesellschaft, früher Sozialkunde) begrüßen. Aber: Besser so, als dass die Regelung ganz abgeschafft wird, findet er. Auch im OHG ist die Verfassungsviertelstunde nicht das einzige Instrument zur politischen Bildung. „Die Einübung von Demokratie fand schon vorher statt“ – etwa in bestimmten Fächern, bei den
Klassensprecherwahlen oder Juniorwahlen. Der Schulleiter sieht die Verfassungsviertelstunde als ein zusätzliches Plus.